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Ein Lied … 2 … 3 … 4!

Wir singen schon heute die Lieder von morgen
Hi Kameraden, könnt Ihr Euch noch an diesen FDJ – Super-Hit erinnern? Einfach mit der guten alten Tante DDR untergegangen. Na ja, er würde auch nicht mehr dem heutigen Zeitgeist von Love-Parade, Christopher Street Day, bzw. dem der Fun-und Action Generation entsprechen. Was soll’s, die Zeit ist schnelllebig geworden … und wer singt heute noch die Lieder von gestern!?
Also wenn ich ganz ehrlich sein soll, ich habe als Soldat gern gesungen. Wie heißt es doch so schön: Wo man singt da lass dich nieder … äh … böse Mädchen tragen keine Mieder. Na ja oder so ähnlich!
Also ich weiß nicht wie es nachher im Regiment war, aber im Bataillon wurde gesungen was das Zeug hielt. Ich gebe zu, nicht ganz freiwillig, denn die Alternative dazu wäre der Laufschritt gewesen.
Das Zauberwort beim Militär hieß Marschgesang! Und gesungen wurde beim Deutschen Militär zu allen Zeiten. Bei den Landsknechten, beim Kaiser, beim Verführer und auch im schönen Sozialismus. Und was haben wir besungen ... den Sieg , den Tod und die Heimat?! Auch das war zu allen Zeiten so. Marschgesang fördert nun mal das Zusammengehörigkeitsgefühl, stärkt den Mut und die Bereitschaft zum Kampf. Singen gehört genauso zum Soldatenhandwerk wie der Shanty zur schweren Arbeit der Matrosen. Ich weiß nicht wie das heute ist, aber zu meiner Zeit war das so.
Anfang der 70ger Jahre wurde das Singen von Soldatenliedern wenig geübt. In der Regel waren die Lieder, die gesungen wurden von Haus aus bekannt. Auch gab es ein kleines Liederbuch für den Soldaten, später wurde es leider aus dem Verkehr gezogen. Die Zeit der „Schwarzbraunen Haselnuss“ war endgültig vorbei.
1971 ließ ich den UAZ das Lied „Am Ausgang eines Dörfelein“ einüben und am Abend auf der Bataillonsstraße singen. Am nächsten Morgen habe ich dann mit Oltn. T. vorm Kommandeur gestanden:
„In meinem Bataillon werden keine Wehrmachtslieder gesungen. Haben sie das verstanden, Genosse Sagan?“
„Jawohl, Genosse Major!“ Den zweiten Anschiss habe ich dann von T. bekommen. Der hatte nämlich gedacht, wir lernen das „Lied vom kleinen Trompeter“. Für mich waren das zwei Anschisse aus der Wundertüte. Hatte ich doch das Lied „Am Ausgang eines Dörfelein“ schon als „Junger Brandschutzhelfer“ bei der Freiwilligen Feuerwehr Ilsenburg gesungen. Da war das in Ordnung!
Nun kann aber auch nicht jede Schnulze von Soldaten gesungen werden. Er muss sie erstens, singen und zweitens, danach im Gleichschritt marschieren können. Eine Kompanie, bestehend aus 70 Fallschirmjägern war ja nun auch kein Trupp afrikanischer Zulu-Krieger, der sich hüftschwingend über die Bataillonsstraße bewegte.
Es gab z.B. im Bataillon eine interne Hitliste. Ich nenne aus meiner Erinnerung heraus mal die zur damaligen Zeit am meist gesungenen Lieder:
– auf Platz 5 „Orange ist meine Waffenfarbe, die so stolz ich trag“.
– auf Platz 4 „Brüder zur Sonne zur Freiheit“.
– auf Platz 3 „Ich trage eine Fahne“.
– auf Platz 2 „Auf, auf zum Kampf“ und
– auf Platz l der Renner unter den Soldatenliedern „Spaniens Himmel breitet seine Sterne über unsere Schützengräben aus“.
Also diese Lieder hatte jeder Fallschirmjäger, jeder Soldat schon vor seiner Armeezeit drauf.
Ein Befehl des damaligen Kommandeurs lautete, wo immer sich ein Fallschirmjäger bewegt, tut er das mit Gesang oder im Laufschritt. Ob in Richtung Speisesaal oder zur Ausbildung, egal, es wurde gesungen oder gelaufen.
In Prora wurde erst mal am Aufgang zum Speisesaal vorbei marschiert, weil die 60 m Wegstrecke nicht ausreichte, um überhaupt ein Lied anzustimmen. Der Haufen blökte ja auch nicht einfach los. Nein, nein alles schön nach Vorschrift 010/0/001, der Exerziervorschrift der NVA. Nachdem die Kompanie im Gleichschritt marschierte, brüllte der Hfw. oder der UvD das Kommando “ Ein Lied!“ Jetzt musste der erste Mann der rechten Reihe des ersten Gliedes, meist ein Unteroffizier, blitzschnell die Entscheidung treffen, welches Lied gesungen werden sollte.
„Spaniens Himmel!“ Nun brüllte der letzte Mann der linken Reihe im letzten Glied „Lied durch!“ Vorn brüllte wieder der Uffz. „Stimmt an!“ Und immer schön auf dem linken Fuß, dass Ausführungskommando! Schlagartig begann die Kompanie zu singen … oder auch nicht!
„Lied aus – neu anstimmen!“ Und immer schön am Speisesaal vorbei. Zwei – dreimal konnte sich diese Prozedur wiederholen bis dann die Drohung des Hfw., am Abend nach Dienstschluss zwei Stunden Marschgesang zu trainieren, für die richtige Sängerlaune sorgte.
Auf dem Weg zum Schießplatz (ca. 4 km) wurde meist nicht gesungen, aber es gab auch da wieder zwei Möglichkeiten, wie man dorthin kam. Im Laufschritt oder mit aufgesetzte Schutzmaske.
Während das erste und zweite Dienstjahr es vorzog, sich im Laufschritt zu bewegen, ging das dritte Dienstjahr lieber gemütlich … aber dafür eben mit aufgesetzter Schutzmaske. So verschieden war das!
Irgendwann Mitte der Siebziger Jahre, wurden in den Kompanien Politoffiziere oder der Stellv. des KC für politische Arbeit, eingesetzt. Ihre genaue Aufgabe kannte ich nicht, aber sie waren nicht nur für die Bücherkiste der Kompanie verantwortlich. Die Kulturelle Arbeit in der Kompanie erlebte auf alle Fälle einen deutlichen Aufschwung, aber auch die Beschwerden über die Arbeit des Hauptfeldwebels bei der Durchsetzung der Inneren Ordnung nahm deutlich zu. Und der Marschgesang oblag ab sofort dem Politnik, so nannten wir ihn liebevoll.
Nun wurden aber auch die Lieder vorgegeben, die im Bataillon gesungen werden sollten. Das nannte sich „Lied des Monats“! Vorbei auch die Zeit unter „Spaniens Himmel“ und „Auf, auf zum Krampf. Jetzt wurde es Russisch. Die Lieder hießen jetzt „Partisanen vom Amur“ und „Höher und höher, ein jeder Propeller singt surrend den Ton wir schützen die Sowjetunion“! Ich hatte ja Anfangs erwähnt, dass ich eigentlich gern gesungen habe, aber jetzt wurde das Singen zum „Sackstand“! Zusätzlich wurde der Marschgesang einheitsweise bewertet, die vergebenen Noten gingen in den Sozialistischen Wettbewerb ein. Die Überprüfung des Marschgesanges wurde immer am Ende des zweiten Polittages durchgeführt. Aber auch bei den großen Exerzierbesichtigungen oder Inspektionen durch das Kommando Landstreitkräfte wurde der Marschgesang abgenommen.
Für die Nachrichtenkompanie immer ein Anschiss besonderer Art. Unser Kommandeur und die Kontrolloffiziere standen auf der Tribüne an welcher in unmittelbarer Nähe die Bataillonsstraße entlang führte. Die Kompanien nahmen am Nordtor die Ausgangsstellungen ein. In der Reihenfolge Stab, UaZ, 1. Kp.; 2. Kp. ; 3. Kp. ; Na.-Kp. ; TV,-Kp. ; STZ marschierten die Einheiten zweimal an der Tribüne vorbei. Einmal im Exerzierschritt und einmal mit Marschgesang. Für den Vorbeimarsch mit Ex.-schritt hatte Stfw. Subklew zur Beschallung seinen RKW aufgebaut. Es gab Marschmusik von der Kassette. In der o.g. Reihenfolge ging es an der Tribüne vorbei. Weithin waren die Kommandos der Einheitskommandeure zu hören. „Achtung!“ Und dann wurde richtig „Ex gekloppt“. Jetzt die Na.-Kp. Der Kompaniechef vorn, ich als Spieß hinten links. Subklew holt aus dem ollen RKW alles heraus. Marschmusik vom Feinsten, der Yorksche oder der olle Radetzky, ich weiß nicht mehr genau. Auf Höhe Einfahrt Ex.-Platz brüllt der Kompaniechef „Achtung!“ Die Sprungschuh knallen auf den Beton das die Fußsohlen brennen. Plötzlich Musik aus – im RKW wird die Kassette gedreht und weiter geht’s – anderer Marsch und der Takt liegt nicht mehr auf dem linken Fuß sondern auf dem rechten Fuß. Die Kompanie kommt durch einander – Schrittwechsel! Genau vor der Tribüne. Wir sind an der Tribüne regelrecht vorbei gestolpert. Und das ist nicht nur einmal passiert. Zu besonderen Anlässen spielte dann schon mal die Kapelle vom Regiment nebenan oder die „Mollis“ aus Dranske schickten uns ihre Kapelle. Dann lief das natürlich ganz anders.
Ja Kameraden, so habe ich die Sache mit dem Marschgesang Anfang bzw. Mitte der Siebziger Jahre erlebt. Vielleicht habe ich bei dem einen oder dem anderen Erinnerungen geweckt. Sie müssten gleich oder ähnlich gelagert sein. Oder?
Euer Spies
Manne Sagan

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