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Fallschirmsprungabzeichen

Abzeichen NVA

Das Fallschirmsprungabzeichen der NVA

 

Gottfried Neis

 

Ausgangspunkt für die Einführung des Fallschirmsprungabzeichens der Nationalen Volksarmee der DDR war der Ort Rjasan, Standort der Offiziershochschule der Luftlandetruppen der sowjetischen Streitkräfte. Vom 06.06. bis 09.06. 1966 trafen sich an dieser Schule erstmalig alle leitenden Kader der Luftlandetruppen der Armeen der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages zu ihrer ersten Tagung im Rahmen des Bündnisses. Da die DDR nur über ein Fallschirmjägerbataillon verfügte, fiel die Delegation auch entsprechend klein aus. Angesichts des bunten Bildes der vielfältigen Arten und Formen von Fallschirmsprungabzeichen an den Uniformen der verschiedenen Nationen wurde wieder besonders schmerzlich das Fehlen eines eigenen militärischen Sprungabzeichens bewusst. Bekanntlich verfügte bei uns nur die GST über Sprungabzeichen, trotzdem schlug der erste Versuch zur Einführung eines militärischen Sprungabzeichens bereits 1965 fehl, da kurz zuvor die Vielzahl der Klassifizierungsabzeichen in der NVA  auf vier Sorten reduziert wurde. Also, war das ein Vorschlag zum falsch gewählten Zeitpunkt. Nun ergab sich erneut Gelegenheit im Bericht an den Minister über die Ergebnisse dieser Tagung eine entsprechende Bemerkung mit einfließen zu lassen, mit der Feststellung, dass wir die einzige Armee im Warschauer Vertrag sind, die über kein militärisches Sprungabzeichen verfügt. Das wäre auf dem Instanzenweg beinah wieder schief gelaufen, da ein Vorgesetzter sich erinnerte, dass ich wohl wieder durch die Hintertür den Vorschlag vorbringen möchte. Der Hinweis, dass es sich doch nicht um einen Vorschlag sondern nur um eine Feststellung handele, rettete den so verfassten Bericht und seine Weiterleitung. Der Minister entschied dann mit einem einzigen Wort  „einreichen !“ in roter Handschrift neben dieser Feststellung die Inangriffnahme der weiteren Planung. Den Vorteil nutzend, auf dieser Tagung eine Reihe militärischer Sprungabzeichen kennen gelernt zu haben, gepaart mit dem Wissen über Sprungabzeichen einiger westlicher Länder, ging es an die Arbeit. Da bei den wenigsten der Abzeichen ein Unterschied zwischen einem militärischen  und einem zivilen eindeutig erkennbar war, hatten wir uns für die MPi im Abzeichen entschieden. Bei manchem war auch die Nationalität nicht erkennbar und auch eine Version in mehreren Stufen konnte für uns nicht in Frage kommen, da sonst die Produktion bei so einem verhältnismäßig geringen Bedarf nicht rentabel gewesen wäre. Um das zu gewährleisten, wurde es nicht nur für die Fallschirmjäger, sondern für alle springenden Einheiten der NVA konzipiert. Mit diesen Vorstellungen und Vorgaben gingen die ersten  Entwurfsgedanken auch an das FJB-5 zur Mitwirkung. Herausgekommen ist über zwei verschiedene Entwurfsmuster hinaus das endgültige „Fallschirmsprungabzeichen der NVA“, welches unseren Vorstellungen entsprach und durch den Minister bestätigt wurde.

  1. symbolisierte die MPi das Abzeichen eindeutig als ein militärisches Sprungabzeichen, und nicht wie einige im Nachhinein interpretierten, als ein „aggressives“ bzw. „militaristisches“.
  2. wurde durch das DDR Staatsemblem die nationale Zugehörigkeit unverwechselbar erkenntlich.
  3. durch die auswechselbaren bezifferten Anhänger konnte die ungefähre Sprungerfahrung, sprich Qualifikation dokumentiert werden.

Das musste für uns reichen, denn aus den dargelegten Rentabilitätsgründen konnten wir uns keine weiteren Unterteilungen bzw. Abstufungen, z.B. in Bronze, Silber und Gold oder für „Absetzer“ und „Freifaller“ leisten. Außerdem hätte das auch nicht immer für eine klare Qualifikationsaussage gereicht, da die Nationen wiederum ihre eigenen unterschiedlichen Kriterien festgelegt hatten. Zur damaligen Zeit erhielt man beispielsweise in der Bundeswehr das goldene Sprungabzeichen schon nach 50 Sprüngen und eine nach außen  erkennbare Steigerung nach 100, 500 oder gar über 1000 war somit nicht gegeben.

Die offizielle Einführung dieses Sprungabzeichens erfolgte noch im gleichen Jahr mit Befehl Nr. 82/66 des Ministers für Nationale Verteidigung vom 22. 12.1966 mit der Festlegung, dass dies als Auszeichnung in den Wehrdienstausweis einzutragen ist. Die erstmalige Verleihung als militärische Auszeichnung fand dann zum Ende des nächsten Ausbildungsjahres, im Oktober 1967 statt. Gleichzeitig gab es dazu eine Miniaturausgabe, die ohne Anhänger am Zivilanzug getragen werden konnte. Spekulationen über die Ursachen  einer silber- oder bronzefarbene Grundplatte sind müßig und haben keinen weiter beschäftigt, solange die Symbolik erhalten blieb. Das scheint eher eine Materialfrage gewesen zu sein oder an der Experimentierfreude des Herstellerbetriebes gelegen zu haben um evtl. festzustellen, welcher Untergrund besser wirkt. Aber das gehört auch wieder in den Bereich der Spekulation, denn nachdem das Abzeichenbestätigt war, wurden die Verträge zur Produktion durch die Unterabteilung (UA) Beschaffung in der Verwaltung Ausbildung des MfNV mit dem Herstellerbetrieb abgeschlossen und realisiert. Die „Ideenväter“ hatten dann keinen Einfluß mehr. Über diese UA gingen auch alle weiteren Bestellungen sowie die Verteilung für die anderen Teilstreitkräfte der NVA und wie sich im Nachhinein herausstellte, nutzten auch die Fallschirmspringer des MfS und des MdI  unser Abzeichen. Auf welcher Grundlage die anderen bewaffneten Organe der DDR auch das eigentlich für die NVA konzipierte Sprungabzeichen  nutzten und zu welchen Bedingungen verliehen, entzieht sich bisher meiner Kenntnis. Wir gingen in den anfänglichen Bedingungen davon aus, dass die Auszeichnung erstmalig zum Abschluß des 1.Dienstjahres verliehen werden sollte, wenn mindestens 10 von 15 Pflichtsprüngen absolviert und eine Packberechtigung für den Sprung- und Ersatzfallschirm erlangt wurden. Davon ausgehend, gab es den ersten Anhänger erst nach 15 Sprüngen mit der entsprechenden Ziffer, den man bei entsprechenden Witterungsbedingungen durchaus schon mit erhalten konnte. Da die Verleihung obendrein auch noch den Abschluß einer Ausbildungsetappe, sprich Dienstjahr dokumentieren sollte, wurde daran auch die Bedingung für ein notwendiges Minimum militärischer Kenntnisse und Fertigkeiten sowie vorbildlicher Dienstdurchführung geknüpft, die dann auch die Bezeichnung als „Fallschirmjäger“ rechtfertigen sollte. Eigentlich eine hohe Hürde, die es so in anderen Armeen so nicht gab. Noch unverständlicher war es für einige westliche Soldaten (und Sammler), dass es ihnen in den Anfangsjahren nicht gelang, ein solches Abzeichen zu ergattern, obwohl sie erstaunt feststellten, dass unser Abzeichen nicht mal eine Registriernummer (Verleihungs-Nr.) hatte. Diese Information berechtigt eigentlich zu der Feststellung, dass unsere Fallschirmjäger doch recht stolz auf die errungene Auszeichnung waren und nicht bereit, selbige zu „verramschen“. Selbst eine Verleihungsurkunde oder speziell gefertigte Trageberechtigung gab es zu dieser Zeit nicht. Die Bedingungen zur Verleihung des Fallschirmsprungabzeichens der NVA wurden im Verlaufe der Entwicklung noch zweimal verändert. Erstmals  am 19.09.1973 mit Befehl Nr. 148/73 des Ministers, wo die Mindestsprungzahl von 10 auf 5 gesenkt wurde mit gleichzeitiger Einführung des Anhängers mit der Ziffer 10, vermutlich bedingt durch veränderte Ausbildungsbedingungen, die nicht mehr zwingend 15 Pflichtsprünge pro Jahr vorsahen. Mit dem verstärkten Zustrom von in der GST ausgebildeten Fallschirmspringern, wurde der Wunsch geäußert, die bereits dort absolvierten Fallschirmsprünge zu den in der NVA geleisteten hinzuzuzählen und damit einen höheren Sprungzahlanhänger tragen zu dürfen. Das wurde von vorgesetzter Stelle zunächst abgelehnt mit dem Hinweis, dass unser Sprungabzeichen nur militärische Sprünge dokumentieren soll und die GST für ihre Sprünge eigene Abzeichen und Anhänger verleiht. Erst 10 Jahre später (jedoch 17 Jahre seit Einführung), am 21.11.1983 erließ der Stellvertreter des Ministers und Chef der Landstreitkräfte die Bestimmungen zum Befehl 148/73 des Ministers, in der die Leistungen der inzwischen praktizierten vormilitärischen Laufbahnausbildung „Fallschirmjäger“ in der GST Anerkennung fanden. Nun konnte das Fallschirmsprungabzeichen an Armeeangehörige verliehen werden, die 5 Sprünge in der NVA durchgeführt haben oder die Anforderungen und Ziele der vormilitärischen Laufbahnausbildung „Fallschirmjäger“  in der GST erfüllt und den ersten Fallschirmsprung in der NVA absolviert hatten. Nun durfte die summierte Gesamtsprungzahl im Anhänger getragen werden. Die Auszeichnung konnte auch wieder aberkannt werden bei groben Verstößen gegen die militärische Disziplin und das Ansehen der  NVA bzw. auch,  wenn gegen die Sicherheit bei der Sprungausbildung  verstoßen wurde und bei Sprungverweigerung. Erst in der Wendezeit, etwa ab 1990 waren Verleihungsurkunden und spezielle „Jubiläumsurkunden“ für den 100., 250. 500. und 1000. Fallschirmabsprung im Gespräch sowie eine Trageberechtigung für Angehörige ausländischer Streitkräfte, die auch noch vergeben wurden, ohne vorher dazu erlassene militärische Bestimmungen. Nähere Details dazu findet man im Buch von K. Feder: „Auszeichnungen der NVA der DDR“ und in der Zeitschrift „Barett“ Nr. 3/94. Als eine Art Überlebenschance für unser Fallschirmsprungabzeichen hat der Fallschirmjäger-Traditionsverband Ost e.V. im Oktober 1992 in Weißwasser beschlossen, selbiges als Verbandsabzeichen mit veränderter nationaler Innenkreisgestaltung in der Miniaturform einzuführen und durch das Marken- und Patentamt am 13.10.1998 gesetzlich schützen zu lassen. Als Verbandssprungabzeichen in der Originalgröße, nur mit fehlender Schwinge, wurde es lt Beschluß des Verbandsvorstandes am 05.05.2001 in Udersleben gestiftet.

 

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