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Thüringen: Die Verlierer spüren den Frust der Wähler

2024-08-29 06:56
von Thomas

In westthüringischen Orten wie Eisenach, Wutha oder dem beschaulichen Ruhla fällt auf, dass kaum Wahlplakate beschädigt oder zerstört sind. Mit einer Ausnahme: Einzelne Plakate mit der grünen Spitzenkandidatin Madeleine Henfling sind mit Farbe beschmiert worden. Die Grünen scheinen hier stärkere negative Emotionen hervorzurufen als andere Parteien. Dass Teile der Programmatik der Grünen bei großen Teilen der Bevölkerung auf Ablehnung stoßen ist kein rein ostdeutsches Phänomen. Doch in Thüringen gelingt es laut den Umfragen nicht einmal mehr, die eigene Anhängerschaft zu mobilisieren.

Auf der Homepage der Grünen Thüringen findet sich wenig zu konkreten politischen Erfolgen in den bereits zwei Legislaturperioden, in denen die Grünen Teil der Landesregierung sind. Die finanzielle Beteiligung von Kommunen mit Windenergiestandorten in Höhe von 0,2 ct/kWh an den Erträgen wird als Erfolg verkauft. Aber auch dieser Erfolg ist nur ein halber, da die Grünen nicht die von ihnen geforderte Beteiligung der betroffenen Anwohner durchsetzen konnten.

Ansonsten werden von der Fraktion noch ein Förderprogramm für den Waldumbau, etwas mehr Geld für die Verbraucherberatungen, die Modernisierung des Brand- und Katastrophenschutzes und der bundesweit erste Untersuchungsausschuss zum Phänomen Mafia als Erfolge verbucht. Eine eher magere Bilanz, selbst in dem für die Grünen so wichtigen Themenfeld Umweltschutz.

Anders als die Grünen kann sich die SPD noch Hoffnungen auf einen Wiedereinzug in den Landtag machen. Allerdings sind die ca. 6 % in den aktuellen Umfragen ein erneuter Rückgang gegenüber dem Wahlergebnis von 2019 mit 8,2 %. In den Nachwendejahren konnte die Partei bei Wahlen noch bis zu 30 % der Stimmen auf sich vereinen.

Im Eisenacher SPD-Haus, dem früheren Gasthof zum Löwen, wurde 1869 die Sozialdemokratische Arbeiterpartei, die Vorläuferin der SPD, gegründet. Heute befindet sich hier eine Ausstellung zur langen Geschichte der Sozialdemokraten. Thüringen war nicht nur Gründungsland der SPD, sondern auch eine ihrer Hochburgen. Durch die nationalsozialistische Zeit und die Zwangsvereinigung von SPD und KPD in der DDR wurde diese Tradition unterbrochen, doch die Wahlergebnisse in den 1990er Jahren ließen die Hoffnung aufkeimen, dass die SPD wieder an ihre ruhmreiche Thüringer Tradition anknüpfen könnte.

Doch der Ruhm der Vergangenheit ist längst verblichen. In der Ausstellung ist der Autor dieser Zeilen der einzige Besucher. Ein junger Mitarbeiter der Gedenkstätte outet sich als aktives Mitglied der SPD. Auf die Frage, welche Erfolge die rot-rot-grüne Koalition in Thüringen in der ablaufenden Legislaturperiode erzielt hat, wirkt er ratlos. Als Beispiel fällt ihm nur das kostenlose Mittagessen für Kinder in den Kitas ein. Aber das sei „auf sozial schwache Familien begrenzt, weil die CDU eine Ausweitung auf Normalverdiener“ blockiert hätte. „Corona und die Blockadepolitik der CDU haben andere Reformen verhindert“, fügt er hinzu. 

Die SPD wird im Osten nicht mehr als Vertretung der Arbeitnehmer wahrgenommen. Zu groß ist die Enttäuschung nicht nur über die Regierung in Erfurt, sondern besonders über die Ampel in Berlin. Deren Umfragewerte sind auch in Thüringen sehr schlecht.

Am 14. August ist der Spitzenkandidat der SPD in Eisenach. Die meisten Passanten beachten den Wahlstand der SPD nicht. Ein kräftiger Mann um die 40 meint im Vorübergehen:“ Die verarschen uns doch nur. Für die Arbeiter tun die gar nichts.“ Spitzenkandidat Georg Maier, der auch thüringischer Innenminister ist, scheint nicht geeignet, den Niedergang der SPD zu stoppen. Maier wirkt fast wie ein Nachlassverwalter der großen Geschichte der Thüringer Sozialdemokraten.

Bodo Ramelow, der thüringische Ministerpräsident, verfügt über ein gewisses Charisma und weiterhin hohe Sympathiewerte im Land. Das kann aber nicht den Ansehensverlust der Linkspartei in Thüringen stoppen. Für einen nicht geringen Teil des Wählerspektrums der Linken, besonders für deren eher wertkonservativen Teil, ist Sarah Wagenknecht die interessantere Alternative. Unter ihnen sind viele Arbeiter und Angestellte, die den Eindruck haben, dass sie für viele Funktionäre der Linken als Zielgruppe scheinbar nicht mehr hipp sind. Ein Skandal um einen Landtagsabgeordneten der Linken, bei dem kinderpornografisches Material gefunden wurde, hat der Partei in der Endphase des Wahlkampfes noch zusätzlich geschadet.

Der Politprofi Ramelow hat die Stimmung im Land erkannt. Auf den meisten seiner Plakate in Westthüringen sucht man das Logo der Linkspartei vergeblich. Man kann dies als Wählertäuschung anklagen, vermutlich ist es aber eher ein Akt politischer Klugheit.

Am gleichen Tag, an dem auch Georg Maier in Eisenach weilt, findet sich ein weiterer Thüringer Landespolitiker auf dem Eisenacher Marktplatz ein. Im Schatten der Georgenkirche, in der einst Luther predigte und Johann Sebastian Bach getauft wurde, hat die FDP einen eher bescheidenen Wahlstand aufgebaut. Stargast ist der Thüringer Spitzenkandidat Thomas Kemmerich, der von Februar bis März 2020 Thüringer Ministerpräsident war. Er legte dann sein Amt nieder, da er mit den Stimmen der AfD Fraktion gewählt worden war, was viel Kritik in der Bundespolitik auslöste.

Kemmerich wird im Wahlkampf von der Bundes-FDP weder finanziell noch personell unterstützt. Kemmerich ist offensichtlich ein rotes Tuch für die FDP-Spitze, zumal er auch an Demonstrationen gegen die Corona Politik der Bundesregierung teilgenommen hatte. Die Thüringer FDP hat aber viele Spenden erhalten, was man am Wahlstand in Eisenach gerne betont. Doch der bescheidene Auftritt zeigt, dass Geld nicht im Überfluss vorhanden ist.

Ein älteres Ehepaar kommt zum Stand und betont wie sehr ihnen gefallen habe, „dass Herr Kemmerich den Mut hatte, sich zum Ministerpräsidenten wählen zu lassen.“ Nun sei die Situation aber eine andere. „Die Brandmauer muss endlich fallen. Ansonsten wird Thüringen unregierbar“, fordert die Frau.

Ein Markthändler erklärt, dass er von Kemmerich enttäuscht sei. Er habe ihn bei der letzten Landtagswahl 2019 gewählt, doch dann sei er „vor Merkel und Lindner eingeknickt und hat sein Wort gebrochen“. Für ihn als kleinen Selbstständigen sei die Situation fast unerträglich geworden. „Die Leute haben real immer weniger Land in der Tasche. Ein Urlaub auf Mallorca kostet jetzt mindestens das Doppelte wie noch vor vier Jahren. Da haben die Leute immer weniger Geld für Lebensmittel. Zudem sind die Energiepreise explodiert.“

Ihn treibt auch die Migrationspolitik um: „In den letzten Jahren ist die Zahl der Flüchtlinge hier in Eisenach stark gestiegen. Viele schlendern hier schon vormittags über den Marktplatz oder sitzen stundenlang in großen Gruppen auf den Bänken vor der Georgenkirche. Es ist doch klar, dass die nicht arbeiten.“ In seinem Umfeld kenne er einige Selbstständige, die früher die FDP gewählt hätten, aber nun die CDU oder die AfD wählen wollten.

Eine junge Frau mit Tätowierungen an den Armen schaut sich an einem Kleiderstand um. „Ich arbeite nur Teilzeit, da muss ich schon ziemlich sparen. Die Preise sind stark gestiegen. Und eine gute Vollzeitstelle in Eisenach zu finden, ist schwer.“ Von der Regierung ist sie sehr enttäuscht. „Bei der Landtagswahl habe ich die Linken gewählt und bei der Bundestagswahl die SPD. Doch die tun beide überhaupt nichts für die normalen Leute. Das Geld wird großzügig an die ganze Welt verteilt und bei uns wird nur noch gekürzt.“ Auf die Frage, wen sie jetzt wählen wollen, antwortet sie: „Vielleicht die Wagenknecht. Aber eventuell gehe ich auch gar nicht mehr zur Wahl.“ 

Im beschaulichen Örtchen Ruhla im Thüringer Wald hängt an einem Haus am Marktplatz ein Plakat mit der Aufschrift „Ohne Bauern kein Brot. Bauern Not Volkes Tod. Die Ampel muss weg“. Ich komme auf einer Bank am Rand des Platzes mit einem älteren Mann ins Gespräch. Das Plakat findet er in Ordnung. „Die Regierung nimmt doch keine Rücksicht auf die Bauern. Die haben sich doch sogar noch über die Demonstrationen der Bauern lustig gemacht.“ Er war bis vor einigen Jahren Handwerksmeister. „Dann musste ich das Geschäft schließen. Zu viel Bürokratie und dadurch zu hohe Kosten. Damit waren wir im Vergleich zu den Handwerkern aus Polen und Tschechien, die zu uns kommen, viel zu teuer.“ Und wen will er wählen? „Vielleicht die CDU. Aber auf keinen Fall eine Ampelpartei. Die sind für mich absolut unten durch. Noch nie wurde Deutschland so schlecht regiert.“

Es fällt auf, dass bei Gesprächen im ländlichen Thüringen, sei es in Eisenach, Ruhla oder Wutha die Alltagssorgen dominieren. Bei der großen Politik dominieren nicht die Ukraine oder Gaza, sondern die Versäumnisse und Fehler der Ampelpartei. Auch wenn sich die politischen Präferenzen zwischen CDU, AfD und BSW aufspalten und die Linke allenfalls noch mit Ramelow punkten kann, so waren sich doch die Befragten in ihrer Antipathie gegen die Bundesregierung einig. Nur in der Gedenkstätte Goldener Löwe hält man noch die Fahne der Ampel aufrecht. Fragt sich nur, wie lange noch.

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