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Übergang zur direkten Intervention

2024-06-05 20:28
von Thomas

Der ukrainische Botschafter in der Bundesrepublik, Olexij Makejew, ist – verglichen mit seinem Vorgänger – ein eher unauffälliger Typ. Während Andrij Melnyk, angefeuert von einer überwiegend liebedienerischen Hauptstadtpresse, auf dem Höhepunkt seines Schaffens das politische Personal in Berlin regelmäßig rüde beschimpfte, ist Makejew mit solchen Verletzungen von Protokoll und Etikette bislang nicht auffällig geworden. Auch seine sonstigen öffentlichen Interventionen erfolgen dosiert. 

Wenn Makejew sich also am Dienstag mit einem Gastbeitrag im Onlineportal der Zeit zu Wort meldete, in dem er in der Hauptsache verlangt, dass die Luftverteidigung über der Westukraine von NATO-Territorium aus erfolgt, dann verdient das Aufmerksamkeit. Hier wird autoritativ das Thema plaziert, an dem – nachdem die »Taurus«-Debatte sich vorerst totgelaufen hat – in den kommenden Monaten die innenpolitischen Kampagnen der Kräfte ansetzen werden, die auf eine Verlängerung und »siegreiche« Beendigung des Krieges in der Ukraine hinarbeiten. Mit dieser Diskussion wird – und gar nicht mehr subtil – die Frage des direkten Eingreifens von NATO-Ländern in den Ukraine-Krieg auf die Tagesordnung der Diskussion in Deutschland gesetzt. 

In politische Vorleistung gegangen sind in den vergangenen Wochen Bundestagsabgeordnete der Union, der Grünen und der FDP – also jener Parteien, deren außen- und verteidigungspolitische »Experten« seit 2022 als Multiplikatoren der Pressestelle der ukrainischen Botschaft auftreten. Mitte Mai hatten Roderich Kiesewetter (CDU), Marcus Faber (FDP), Agnieszka Brugger und Anton Hofreiter (beide Bündnis 90/Die Grünen) in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gefordert, Teile des ukrainischen Luftraums von NATO-Territorium aus zu schützen. »Eine Koalition der Willigen könnte ihre eigene Luftabwehr in einem Korridor von 70 bis 100 Kilometern auf das westliche Territorium der Ukraine ausdehnen«, hatte Kiesewetter zwei Wochen später gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung bekräftigt. 

Hier setzt nun Makejew an – und vergisst nicht, die »mutige und vorausschauende parteiübergreifende Gruppe« im Bundestag zu erwähnen. Er verweist auf ein Reuters-Interview des ukrainischen Präsidenten, in dem dieser vor zwei Wochen verlangt habe, über die »Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels« nachzudenken, »wenn es um das Thema ›rote Linien‹ geht«. Es sei nicht nur »möglich«, sondern »dringend nötig«, dass mit Systemen, »die in den westlichen Nachbarländern der Ukraine stationiert sind«, »unbemannte tödliche Flugobjekte sowie russische Raketen und Drohnen im Luftraum über dem Westen der Ukraine« abgefangen werden. 

2022 sei das schon einmal diskutiert und als »No-Go« vom Tisch gewischt worden, doch nun sei man weiter. »Rein völkerrechtlich« unterscheide sich der Vorschlag nämlich nicht »von der bereits geleisteten militärischen Unterstützung für die Ukraine«. Ein angegriffenes Land habe laut UN-Charta das Recht, sich zu verteidigen, und andere Länder hätten das Recht, ihm dabei zu helfen. Daraus ergebe sich keinerlei Recht des angreifenden Landes, die »helfenden« Länder ebenfalls anzugreifen. »Das darf man sowieso nicht«, setzt er beruhigend hinzu. Makejew setzt offensichtlich darauf, dass sein Publikum ihm abkauft, dass zwischen »helfen« und »direkt militärisch intervenieren« – und um die erste Stufe dieses Übergangs handelt es sich bei diesem Szenario – kein qualitativer Unterschied besteht. 

Was der ukrainischen Botschafter außerdem noch anbietet, ist durchweg darauf berechnet, den Gedanken zu normalisieren, dass der »Westen« irgendwann zur unmittelbaren Kriegspartei wird. Er schreibt etwa: »Alles andere ist eine Frage des Willens, von Führung und der Akzeptanz der Tatsache: Europa ist bereits im Krieg.« Die »Angst vor dem Dritten Weltkrieg« sei eine »Stellvertreterangst« – sie resultiere aus dem Bedürfnis, »die gefährliche Realität von heute zu leugnen und in die Zukunft zu verschieben«. So eine Friedensbewegung sei »Kriegstreiberei«. Die zugrundeliegende »Verdrängung« bedeute, dass »eine Kriegsbeteiligung wahrscheinlicher wird – in der Rolle des angegriffenen Landes«. 

Die Wortmeldung Makejews zeigt exemplarisch, dass die Herausforderungen für die Friedensbewegung wachsen. Derzeit wird zumindest propagandistisch – wenn auch, so weit ersichtlich, noch nicht militärisch – eine direkte Intervention von NATO-Gebiet aus vorbereitet. Die Folgen liegen auf der Hand.

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