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Unzeitgemäße Wahrzeichen

Das „Aus“ der Fallschirmsprungtürme der GST

Am 03.12.1963 wurde im GST-Sekretariat ein Bericht der Abteilung Flugsport über den Zustand der Fallschirmsprungtürme der GST recht kontrovers disku­tiert. Im Kern ging es dabei um die Eignung oder Nichteignung der Türme für die Ausbildung und um ihre rentable Auslastung als Mittel für die Massenarbeit.

Da die Entwicklung des Fallschirmsports nunmehr an die Motorfliegerklubs ge­bunden war und die Turmausbildung mit Beginn der Sprungausbildung aus Mo­torflugzeugen 1957 an Bedeutung verloren hatte, kam es in den Bezirken, in de­nen es keine Motorfliegerklubs gab, zur Auflösung der existierenden Fallschirmsprunggruppen selbst dann, wenn Sprungtürme vorhanden waren. In der Folge wurden die Türme nicht mehr ausgelastet, nur noch mangelhaft gewartet und in manchen Fällen gleich ganz gesperrt. Überdies argumentierten die Fach­leute der Abteilung Flugsport dahingehend, dass die Absprungtechnik vom Turm eine andere sei und dabei für den Absprung aus Flugzeugen ungünstige Ausbildungselemente antrainiert würden. Lediglich als Mut-Schulung und für die Massenarbeit könne den Türmen noch ein gewisser Wert beigemessen werden.

Der Hintergrund dieser Diskussion dürfte in einem ca. drei Monate zurückliegen­den Bericht über die Entwicklung des Flugsports in der GST zu sehen sein, der die meisten der 15 in den Bezirken stehenden Fallschirmsprungtürme als überaltert, defekt und ständig reparaturbedürftig auswies. Außerdem ließ sich kein Betrieb zur Durchführung der notwendigen Reparaturen finden, und jeder Turm musste alle zwei Jahre mit einem Aufwand von 4.500,- Mark gestrichen werden.

Während die Meinungen in der Frage der Fallschirmsprungtürme im GST-Sekretariat Ende 1963 noch auseinandergingen, verschärfte sich ab spätestens April 1964 eine im Grunde schon seit etwa 1961 laufende Auseinandersetzung zwischen der HAZL bzw. HVZL und der GST, denn ab 30.04.1964 erklärte sich das MfNV nicht mehr für die Fallschirmsprungtürme zuständig.
Der ZV der GST wurde bereits mit Schreiben des Stellv. Verkehrsministers Arthur Pieck vom 14.04.1964 darüber informiert, dass die GST als Sprungturmhalter nun selbst da­für zuständig sei und die Fallschirmsprungtürme nun in ihre Rechtsträgerschaft fallen würden. Das Kernargument dabei lautete, dass die Sprungtürme nicht als Luftgeräte bzw. Luftfahrzeuge im Sinne des Gesetzes, sondern als Bodenübungsgeräte zu betrachten wären. Der Streit um die diesbezügliche staatliche Aufsichts- und Zulassungspflicht, die auch die GST nicht übernehmen wollte, belastete sie offensichtlich erheblich. In seiner Sitzung am 10.06.1966 beschloss das GST-Sekretariat, dass die Fallschirmsprungtürme auf Antrag der Bezirke abzubauen sind. In dem dieser Ent­scheidung zu Grunde liegenden Bericht der Abteilung Flugsport über den Zu­stand der Fallschirmsprungtürme der GST wurde ausgeführt , dass sich dieser seit dem letzten Antrag auf Abbau aus dem Jahr 1964 mangels Nutzung weiter verschlechtert hatte. Die an die Bezirksvor­stände gerichtete Forderung zur Verbesserung der Arbeit an den Sprungtürmen wurde in keiner Weise erfüllt, hieß es weiter. Allerdings wäre eine Nutzung der Türme für die Agitation und massensportliche Betätigung der Bevölkerung auf Grund des schlechten technischen Zustands auch gar nicht vertretbar.
Alle zwei Jahre mussten für die Wartung eines jeden einzelnen Turms 6.000,- Mark aufgewandt werden. Zudem war inzwischen die Generalreparatur aus­nahmslos aller Türme notwendig geworden. Die Kosten dafür rechtfertigten je­doch in keiner Weise den erwarteten Nutzen, schließlich waren Turmsprünge im Ausbildungsprogramm der Fallschirmspringer für 1966 überhaupt nicht mehr vorgesehen. Als unansehnliches Wahrzeichen der GST und als Gefahrenquelle für spielende Kinder wurden die Türme bezeichnet. Sie hätten dem Bericht nach alle eingezäunt werden müssen. Das war dann letztlich das „Aus“ für diese Türme in der DDR.

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