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(Das) Aus meiner Dienstzeit

… und Tschüss
In meiner Abschlussbeurteilung steht was von „Konversionsopfer“ … oder so als Grund der Entlassung.
Tatsächlich waren die letzten Tage im LStR-40 eine sehr bewegte Zeit. Ausbildungsmäßig waren wir aktiv wie eh und je. Fast wie in einer Sport¬kompanie. Vom Sprunglager ins Bergsteigerlager im Sommer 1990.
Trotzdem war alles anders. Wir waren dauernd von irgendwelchen Kameras umzingelt, weil In- und Ausland mehr von den geheimnisumwitterten Fallschirmjägern wissen wollten. Mancher Soldat dachte sogar, wir hätten das organisiert, um uns best¬möglich an den Westen verkaufen zu können, aber wir hatten gar keinen Einfluss darauf.
Im Bergsteigerlager im Zittauer Gebirge, welches ich noch organi¬satorisch absichern durfte, erfuhr ich morgens am 05. August 1990 aus dem „Neuen Deutschland“ von meiner be¬vorstehenden Entlassung zum 01.Oktober 1990.
Nach dem Frühstück ging es an den „Kelchsteinwächter“, einem berühmten Kletterfelsen, der Form nach wie ein kleiner Atompilz. Wieder war ein Kamerateam dabei, das der Redak¬tion „Klartext“ des DFF, welches Aufnahmen für „Fallschirmjäger kehrt marsch“ drehte.
F. M. Hupe fiel beim ersten Versuch im Vorstieg vor dem 1. Sicherungshaken aus der Wand und hatte sich zum Glück nicht verletzt, als der Kamera¬mann rief: „Können wir das noch mal machen, die Kamera war aus!“ Wir machten weiter. Als ich in etwa an derselben Stelle war, wo Frank sich zuvor nicht mehr halten konnte, kam der Kommandeur mit seinem Auto an (, er kam direkt aus Lehnin). Auf dem kurzen Fußweg zum Felsen rief er schon von weitem: „Peter, komm mal runter … Du bist entlassen!“ … die Kamera lief … und ich von oben: „Ich weiß, hab’s im ND gelesen.“ Diese Szene war so dermaßen unwirklich, dass sie sich mir tief ins Gedächtnis eingeprägt hat. Für Jörg Teuscher, den Regisseur der uns ein halbes Jahr lang begleitet hatte, war das derart schockierend, dass er die Szene komplett aus dem Film geschnitten hat.
Ich bekam sie auch nicht auf dem Originalmitschnitt, welchen er mir vier Wochen später schenkte. Neben mir betraf es im Bergsteiger¬lager auch Rainer Schinski. Wir fuhren mit Wut im Bauch Sonntag früh halb fünf zurück nach Lehnin. Und zwar in meinem nagelneuen West¬auto. Kein Polizist, keine Radarfalle, keine anderen Autos … und eine bis heute nie wieder erreichte Rekordzeit von einer Stunde und 50 Minuten, von Zittau nach Lehnin. Wer wollte uns was, es war eh alles vorbei?!
Innerlich verfluchte ich den Tag, an dem der Kommandeur mit dem Personalbestand eine Wahl abge¬halten hatte, wer denn sein „Leiter Staatsbürgerliche Bildung und Erziehung“ sein sollte, durch welche ich auf diesen Posten gekommen war, andererseits war ich ziemlich sicher, dass die anderen Berufssoldaten nur ein wenig später dran sind.
Aufräumen…
Inventur war das Erste. Alles Ab¬schreibbare in meinem Bereich kam in den Regimentsklub und konnte für ’n Appel und ’n Ei gekauft werden. Die Spiegelreflex ging weg für zehn Westmark usw., Plattenspieler und Tonbandgeräte verteilte ich an die Lehniner Kindergärten und die Krippe. An die neueren Sachen, wie die zwölf Farbfernseher traute ich mich nicht ran. Sie kamen aufs Übergabe-protokoll. Zur Strafe durfte ich ein Jahr später mit ansehen, wie ein BuWe-Feldwebel diese zwölf Fernseher vor dem Stabs¬gebäude in eine Reihe stellte und mit einer Spitzhacke kurz und klein machte.
Das war zu jener Zeit, als eine Kompanie Panzeraufklärer einzog und das Objekt auf die „BuWe 2000 – Norm“ getrimmt wurde. Insgesamt wurden dafür 4,5 Mio Westmark ausgegeben. Ostspinte flogen, wie Weihnachten 1989, aus den Fenstern und Westspinte mit gleichem Alter, Aussehen und Abmaßen kamen rein. Auch Westwasserhähne und Westfliesen. Wo früher 800 Mann lebten, zogen 120 ein und brauchten tatsächlich den ganzen Platz.
Harald Altmann, der die Übergabe – Waffen und Munition – machte, hatte einen Fehlbestand von sieben Schuss Mpi-Munition. Nach einem Tag Arbeit war der Rechenfehler in einer Kompanie-schießkladde gefunden. So war es in allen Bereichen: Exakt bis zum Zu¬schließen. Die BuWe hat’s gar nicht interessiert. Selbst die Waffen und Munition wur¬den nicht nachgezählt. Der Abholende unterschrieb das Protokoll, das war alles.
So ging es auch mit der Truppenfahne, man hätte locker eine Ehrenfahne aus dem Traditionszimmer opfern können, aber niemand kam auf die Idee, auch nur irgendwas sicherzustellen.
Das erste Mal in meiner gesamten Armeezeit hatte ich nichts zu tun. Die „Staatsbürgerlichen“ waren Luft. Ich ging aber trotzdem zur Ausbildung, z.B. auf die Stadtkampfanlage zum Austoben. Zuvor hatte ich mir einen Aufnäher gebastelt und „OA“ eingestickt – ironisch für: „Opfer der Abrüstung“. Diesmal wollte ich, dass die Kamera voll da drauf hielt. So konnte ich „Tschüss“ sagen und gleich¬zeitig verkünden, dass wir nicht arbeitslos sein werden.
Aber es war noch ein paar Tage, u.a. fiel das Weltfallschirmjägertreffen da noch mit hinein. Es war großartig und ein sehr intensiver Kontakt zum Ex-Gegner. Manch begonnene Freundschaft hält bis heute.
Ein Reserve-FJ-Hauptmann der BuWe sollte auch später Mitautor des Buches „Vom Himmel auf die Erde ins Gefecht“ werden und zwei von uns in sein Unternehmen aufnehmen. Ein Brite hielt eine lange Lobrede auf den Truppenteil und dessen Männer und wünschte Allen Glück im Neuen Leben. Er ging bereits davon aus, dass keiner bei der BuWe bleiben wird.
Mehrere Berufssoldaten von uns nutzten die Gelegenheit und ver¬kauften meistbietend ihre Uniformen. Darunter auch zwei Offiziere aus dem Führungsorgan.
Letzter Tag
Die Dienstflagge wurde eingeholt. Alle Anwesenden unterschrieben auf ihr. Die Truppenfahne hängten wir noch mal im Klub auf und wer sich mit ihr fotografieren lassen wollte, konnte dies tun.
Wir fünf zur Entlassung Anstehenden gondelten mit den Laufzetteln durch´s Regiment, und als wir damit fertig waren, warteten wir vergeblich auf eine Verabschiedung. Schließlich gingen wir wie die begossenen Pudel ohne Abschied durch ’s KdL.
Zuhause angekommen, klingelte das Telefon: „Komm wieder her … Ich schick‘ Dir auch meinen Wagen“, sagt der Kommandeur, „und bring‘ die anderen mit!“ Von denen wollte keiner mehr, also bin ich alleine zurück und dann saßen wir in der Führung zusammen… Da war dann Sense. Der Kloß im Hals war nicht mehr zu halten und ich heulte wie ein Schlosshund. Schließlich die anderen mit. Zur Erinnerung bekam ich mein Kampfmesser überreicht und wir wetteten, wie lange es wohl dauert, bis wir alle draußen sind.
Drei Tage später war für ’ne Handvoll Männer Einkleidung in die BuWe-Uniform, Vereidigung und Grundlehrgänge. Drei Monate später, Ende 1990 waren noch zwei SAZ übrig, „Fisch“ und Harry „Oldman“. Nach einem halben Jahr waren auch die Beiden „Zivilisten“. Von der letzten Führung ist heute ein Zivilbediensteter bei der BuWe, einer ist Angestellter, die anderen alle selbständig. Vom letzten Offizierskorps wurden ein Jungleutnant und der Doktor über¬nommen. Von den Berufsunter¬offizieren/Fähnrichen waren es drei aus dem Kfz.-Bereich, die die BuWe in Uniform übernahm. Einer wurde Feuerwehrmann in Zivil, viele andere konnten vorerst in Bewachungs¬unternehmen aufgefangen werden, mancher kam da nie wieder weg.
Der Zusammenhalt aber ist geblieben und teilweise sogar noch fester geworden.
So 1990 erlebt von
Hauptmann Peter „Rebel“ Jänicke

 

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