Bundesregierung beschließt Gesetz für neuen Wehrdienst
Wegen einer angeblich bestehenden russischen Bedrohung hat die Bundesregierung ihr Wehrdienstgesetz beschlossen. Der Gesetzentwurf ermöglicht auch die zwangsweise Verpflichtung zum Wehrdienst. Bei einem Mangel an Soldaten, der durch freiwillige Verpflichtungen zum Dienst an der Waffe nicht ausgeglichen werden kann, greift eine Klausel, nach der zum Wehrdienst zwangsweise einberufen werden kann.
Genau aus diesem Grund waren die Wehrdienstpläne der Bundesregierung auch innerhalb der Koalition umstritten. Während die CDU die Verpflichtung zum Dienst im Gesetz stärker akzentuieren wollte, geht der SPD die Option zum Zwang schon jetzt zu weit. Einig ist man sich aber darin, dass Deutschland seine Verteidigungsfähigkeit erhöhen müsse, um glaubhaft abschrecken zu können.
Ziel ist es, die Truppenstärke deutlich auszubauen. Die aktiven Streitkräfte sollen von jetzt 180.000 Männern und Frauen auf 260.000 ausgebaut werden. Ziel ist es, die Zahl der verfügbaren Soldaten unter Einschluss von Reservisten auf 460.000 Kämpfer anwachsen zu lassen. Laut 2+4-Vertrag, der die Grundlage der deutschen Einheit bildet, ist die Truppenstärke der deutschen Streitkräfte auf 370.000 Soldaten begrenzt.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass alle Männer ab Jahrgang 2008 erfasst und an einer verpflichtenden Online-Befragung teilnehmen, mit der ihre Bereitschaft und Eignung für den Dienst an der Waffe festgestellt wird. Ab Sommer 2027 soll auch die "Musterung" – eine ärztliche Untersuchung, bei der die Wehrtauglichkeit festgestellt wird – wieder eingeführt werden.
Zudem sieht der Gesetzentwurf vor, dass die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundestages ganz unabhängig von der Feststellung einer tatsächlichen Bedrohungslage eine Wehrpflicht festlegen kann. Der Grundwehrdienst soll eine Dauer von sechs bis zwölf Monaten haben.
Der Gesetzentwurf muss noch den Bundestag passieren.
Die allgemeine Wehrpflicht wurde am 1. Juli 2011 ausgesetzt. Mit der Aussetzung begannen die Diskussionen darüber, wann und unter welchen Bedingungen wieder zur grundgesetzlich verankerten Wehrpflicht zurückgekehrt werden sollte. Mit der Behauptung, Russland stelle eine militärische Bedrohung für Deutschland und die westeuropäischen Staaten dar, wurde nun ein Argument für ihre Wiedereinführung gefunden.
Aus dem Kreml werden die Behauptungen, Russland plane einen Überfall auf die Staaten der NATO, als absurd zurückgewiesen.
Aber warum das alles?
Man kann unterschiedlicher Meinung sein, ob die Wehrpflicht eine gute Idee oder Teufelszeug ist. Für die Betroffenen, junge Männer und irgendwann wohl auch Frauen, ist sie zweifellos eine Einschränkung ihrer persönlichen Freiheit. Ein Gang zum Bundesverfassungsgericht wird schon deshalb nichts bringen, weil sie von Anfang an im Grundgesetz verankert ist.
Was die Wiedereinführung der Wehrpflicht gerade jetzt aber zweifellos ist: Sie ist ein weiteres Signal der Kriegstreiber, ein weiterer Schritt auf den mit deutscher Beteiligung geführten Dritten Weltkrieg zu.
Deutschland ist keiner realen Gefahr von außen ausgesetzt. Am ehesten könnte noch den Eidgenossen der Kragen ob der Hochnäsigkeit des Nachbarn platzen, aber das zeigt schon, wie unrealistisch jedes Kriegsszenario, in dem Deutschland Opfer eines Überfalls wird, ist. Wer sonst? Liechtenstein? Luxemburg? Die Niederlande? Dänemark hat historisch betrachtet eine Rechnung offen, aber ein Revanchekrieg für 1864 ist und bleibt Phantasterei, Stoff für unwissenschaftliche Bellestristik.
Mit Sicherheit plant auch Russland keinen Überfall auf Deutschland. Mal abgesehen davon, dass es dazu gar kein Motiv hat (Was soll es hier wollen? Was hat Deutschland, das Russland unbedingt haben wollte? Sächsischen Bärlauch?), ist es dazu auch gar nicht in der Lage. Als die Rote Armee 1945 auf Berlin vorrückte, belief sich ihr Gesamtpersonalstand auf 11,3 Millionen Männer und Frauen. Vier Millionen Soldaten und Offiziere waren unmittelbar an dem letzten Schlag gegen Hitlerdeutschland beteiligt. Der aktuelle Personalbestand der russischen Armee, rückwärtige Dienste mitgezählt, hat Mühe, auf 1,5 Millionen zu kommen. Und Polen ist heute kein Verbündeter Moskaus ...
Intellektuell unredlich ist es, aus dem Ukraine-Krieg auf aggressive Absichten Russlands zu schließen: Die militärische Sonderoperation ist eine Reaktion auf eine Ereigniskette, die Russland existenziell gefährdet. Die Expansion der EU und der NATO in den weichen Unterbauch des Landes, die sich nicht anders als die Vorbereitung eines Angriffs- und Vernichtungskriegs des Westens gegen Russland deuten lässt. Die Errichtung eines russophoben Regimes in Kiew mit ideologischen Anleihen im extremen Nationalismus. Der von diesem seit 2014 betriebene Krieg gegen die russischsprachige Bevölkerung des Donbass. Hätte es das nicht gegeben, gäbe es auch kein militärisches Eingreifen Moskaus im Nachbarland. Es ist ganz einfach: Man mache die Sachen nicht, die nicht gemacht werden dürfen, und alles wird gut. Keine Aktion – keine Reaktion.
Hat Sie, werter Leser, etwas am Status quo im Jahr 2003, im Jahr 2007, im Jahr 2012 gestört? Die Ukraine war da ein friedlicher, neutraler Staat, der wirtschaftlich nach Westen wie nach Osten offen war und davon profitierte. Was hat wem daran nicht gepasst, und warum? Ich kann natürlich nur für mich sprechen: Ich war mit meinem Leben zufrieden und ich brauchte die Ukraine nicht in der EU, noch weniger in der NATO.
Wir sind übrigens auch nicht verpflichtet, jedem seine Wünsche zu erfüllen. Zumal die Ukrainer die Wünsche, um die es hier geht, nicht einmal hatten: Nie war in Meinungsumfragen bis einschließlich 2013 eine absolute Mehrheit der Ukrainer für einen Beitritt zur EU. Eine erdrückende Mehrheit von je nach Umfrage 60, 70, 80 Prozent wies auch nur den Gedanken an einen NATO-Beitritt weit von sich. Ein Referendum über die außenpolitische Ausrichtung forderte nur die Kommunistische Partei der Ukraine, ja jene "prorussische", inzwischen verbotene KPU. Die "Proeuropäer" lehnten es ab und verhinderten das Referendum letztlich. Warum wohl?
Mit der Frage, wem was am Status quo nicht gepasst hat, sind wir dennoch auf der richtigen Spur: Den deutschen, europäischen und transatlantischen "Eliten" hat der Frieden in der Ukraine nicht gepasst, den Superreichen und ihren politischen und medialen Bediensteten. Die Superreichen möchten reich bleiben und noch reicher werden, und die einzige Möglichkeit, die ihnen dafür noch bleibt, ist es, sich die Reichtümer Russlands anzueignen. Man muss es so klar sehen und auch nicht komplizierter erklären, als es ist – dann passen alle Puzzlestücke, dann wird einem alles verständlich, was geschieht.
Und so ist auch die Wiedereinführung der Wehrpflicht nicht die Vorbereitung auf eine Landesverteidigung, an der es nie Bedarf geben wird. Sie ist wie das gesamte Gebrabbel von "Kriegstüchtigkeit" Vorbereitung auf einen imperialistischen Angriffs-, Vernichtungs- und Eroberungskrieg des Westens gegen Russland. Wieder einmal sollen die Deutschen ihre Söhne (künftig auch Töchter) für die Renditen der Konzerne hergeben. Verkauft wird es ihnen als "Unsere Freiheit wird am Hindukusch Dnjepr verteidigt" oder – wenn ein Politiker mal wie Wahrheit ausplappert – "Wir müssen unseren Außenhandel schützen", "Wir brauchen das Lithium, das in Donezk lagert" ...
Die einzig offene Frage ist, ob die einfachen Deutschen etwas aus ihrer Geschichte gelernt haben. Wenn ja, dann wäre eine Armee Wehrpflichtiger sogar die Lösung.