Die Übung „SAPAD 2025“
„Sapad 2025“ war ein Manöver der russischen und belarussischen Streitkräfte, das im Landesinneren von Belarus durchgeführt wurde. Das Manöver findet turnusmäßig alle vier Jahre statt. Am „Sapad“-Manöver im Jahr 2021 – also noch vor Beginn des Ukrainekrieges – sollen nach russischen Angaben ca. 200.000 Soldatinnen und Soldaten teilgenommen haben.
„Sapad-2025“ ist deutlich kleiner ausgefallen als die Übungen von 2017 oder 2021. Im Januar 2025 hatte Weißrussland angekündigt, an dem diesjährigen Manöver sollten etwa 13.000 Streitkräfte teilnehmen. Im Mai hatte die Regierung diese Zahl jedoch nach unten korrigiert und bekanntgegeben, die Zahl auf 7.000 Soldaten zu reduzieren und das Manöver von der Westgrenze ins Landesinnere zu verlegen, um Spannungen mit NATO und EU zu verringern.
Russland hatte zu den beteiligten eigenen Kräften keine offiziellen Angaben gemacht. Nach unbestätigten Meldungen sollen neben russischen und belarussischen Soldaten auch einige Einheiten aus Bangladesch, Burkina Faso, Kongo, Mali, Indien, Iran, Niger, Volksrepublik China, Kasachstan, Tadschikistan, Vietnam und anderen befreundeten Ländern teilgenommen haben..
Die Bundeswehr ging davon aus, dass an dem Manöver etwa 13.000 Soldaten in Belarus und weitere 30.000 auf russischem Gebiet beteiligt sein werden.
Nach Aussage von Experten bestand neben der deutlich geringeren Truppenstärke ein weiterer Unterschied zu den früheren „Sapad“-Manövern darin, dass diesmal offenbar keine Streitkräfte aus dem Kaliningrader Gebiet beteiligt waren. Damit waren die Sorgen Polens unbegründet, dass im Rahmen des Manövers auch die Besetzung der sogenannten „Suwalki-Lücke“ simuliert werden könnte. Dabei handelt es sich um ein kleines Gebiet an der polnisch-litauischen Grenze, welches im Norden an die russische Exklave Kaliningrad und im Süden an Belarus angrenzt.
Was im Einzelnen in diesem Manöver geübt wurde und welche Waffensysteme zum Einsatz gekommen sind, kann man nur eingeschränkt beurteilen, weil man ohne eigene Militärbeobachter auf Informationen aus Weißrussland und Russland angewiesen ist, die zutreffen oder Propaganda sein können. Es sei denn, dass amerikanische Beobachter der Übung ihre Erkenntnisse mit Deutschland teilen; denn US-Militärs haben als Beobachter das Großmanöver „Sapad 2025“ von Russland und Belarus verfolgt. Der belarussische Verteidigungsminister Viktor Chrenin hatte ihnen gesagt, sie könnten sich „alles ansehen, was für sie von Interesse ist“.
Deutschlands Verzicht auf die Entsendung eigener Militärbeobachter
Weißrussland hatte neben den akkreditierten Militärattachés auch Beobachter der OSZE-Staaten zu „SAPAD 25“ eingeladen und bereits vergangenes Jahr über „Sapad 2025“ informiert. Mit USA, Türkei und Ungarn hatten drei NATO-Staaten Beobachter entsandt.
Obwohl auch Deutschland am 13. August 2025 von Weißrussland eingeladen wurde, auf der Basis des „Wiener Dokuments“ Militärbeobachter zum Manöver „SAPAD 2025“ zu entsenden, hat die Bundesregierung darauf verzichtet. Als Begründung hieß es seitens der Sprecherin des Bundesverteidigungsministeriums: „Vor dem Hintergrund des fortdauernden russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat die Bundesregierung in enger Abstimmung mit unseren Partnern und Verbündeten entschieden, bis auf Weiteres keine Maßnahmen nach dem Wiener Dokument auf den Gebieten Russlands und Belarus durchzuführen.“ Nach ihrer Aussage und auch seitens des Auswärtigen Amtes werde in diesem Jahr auch kein akkreditierter Verteidigungsattaché zugegen sein.
Der ehemalige Verteidigungsattaché bei der Deutschen Botschaft in Moskau, Brigadegeneral a.D. Reiner Schwalb, der 2013 und 2017 selbst als Beobachter an „SAPAD“ Manövern teilgenommen hatte, hatte nach einem Bericht der ARD dafür plädiert, alle angebotenen Möglichkeiten zur Manöver-Beobachtung zu nutzen, auch wenn Länder wie Belarus und Russland so etwas propagandistisch ausschlachteten. Es gehe darum, so viele Informationen wie möglich zu sammeln und Signale wahrzunehmen, zum Beispiel ob gedroht oder beruhigt werden solle.
Insbesondere im Rahmen des so genannten Wiener Dokuments sollten Experten als Beobachter entsendet werden. Mit militärischer Expertise könne man an solchen Vorführungen ablesen, ob nur eine Show aufgeführt oder militärisches Können demonstriert werde. Das betreffe zum Beispiel den Ablauf der Befehlsketten oder das taktische Handeln auf unterster Ebene. Davon abgesehen könnten sich die Verteidigungsattachés auch im Land bewegen und zum Beispiel an Verladebahnhöfen beobachten, welche Truppenteile Ausrüstung transportieren.
Bewertung der Entscheidung, auf die Entsendung von Militärbeobachtern zu verzichten
Brigadegeneral a.D. Schwalb hat in allen Punkten Recht.
Die Bundeswehr erklärt zur Aufgabe eines Militär- oder Verteidigungsattaché: “Die Militärattachés an deutschen Botschaften berichten über die Verteidigungs- und Militärpolitik des jeweiligen Gastlandes, den Entwicklungsstand der Streitkräfte und der Rüstungsindustrie sowie weitere diese Bereiche betreffende Themen. Gemeinsam mit ihren Stäben führen sie Analysen und Lagebeurteilungen durch und nehmen an internationalen Konferenzen und Truppenbesuchen teil.“
Aus meiner eigenen Erfahrung als Verteidigungsattaché bei der deutschen Botschaft in Bagdad weiß ich, wie schwierig es ist, in einem autoritär geführten Staat gesicherte Erkenntnisse über Entwicklungen im Gastland und dessen Streitkräfte zu gewinnen, weil man in seiner Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt ist. Statt auf eigene Beobachtungen zurückgreifen zu können, ist man in der Hauptsache auf „Informationen aus zweiter Hand“ angewiesen. Diese erhält man u.a. durch lokale Mitarbeiter der Botschaft, durch Firmenvertreter des eigenen Landes, andere akkreditierte Militärattachés und/oder im Rahmen von diplomatischen Empfängen/Veranstaltungen. Bei dieser Art der Informationsgewinnung kann man nicht von Erkenntnissen sprechen, weil man nie sicher weiß, ob diese Aussagen stimmen. Manchmal handelt es sich lediglich um Gerüchte, Vermutung oder Halbwahrheiten oder bisweilen auch um Lügen, die aus unterschiedlichen Motiven in die Welt gesetzt werden.
Eigene Beobachtungen, bei denen es sich dann wirklich um Erkenntnisse handelt, kann man nur machen, wenn man z.B. nach einem entsprechenden Antrag die Erlaubnis erhält in bestimmte Regionen des Gastlandes zu fahren. Diese Genehmigungen werden aber in der Regel sehr restriktiv gehandelt und sind oft damit verbunden, dass dem Verteidigungsattaché ein Angehöriger der Streitkräfte des Gastlandes zugeordnet wird, aus Sicherheitsgründen….
Deshalb ist es unbedingt erforderlich, jede der seltenen Einladungen zu nutzen, militärische Messen, Kongresse, Manöver, Militärparaden, Vorstellung neuer Waffensysteme oder vergleichbare Events zu besuchen, um mit eigenen Ohren und Augen Erkenntnisse über die Streitkräfte des Gastlandes oder dessen Sicherheitspolitik zu gewinnen.
In Kenntnis dieser Umstände und Beschränkungen war es politisch unklug und militärisch nicht nachvollziehbar, eine Einladung zur Beobachtung von „SAPAD“ nicht anzunehmen. Wer glaubt, mit einer solchen Maßnahme den einladenden Staat quasi zu bestrafen, der hat – wie man beim Militär sagt – den Schuss nicht gehört!