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Es liegt kein Schiff vor Rügen

2025-02-04 12:10
von Thomas

Auch 28 Monate nach den Anschlägen auf die Nord-­Stream-Pipelines am Boden der Ostsee, die die direkte Einfuhr von russischem Erdgas unterbrochen hatten, besteht in der Bundesrepublik nach wie vor kein Energienotstand – trotz höheren Bedarfs im Winter und obwohl seit Jahresbeginn auch kein russisches Erdgas mehr über die Ukraine nach Westeuropa strömt. Letzteres bedeutet, dass die Tschechische Republik und die Slowakei nun ebenfalls über die Förderung in West- und Nordeuropa sowie über Terminals von Flüssigerdgas (LNG) an den Küsten versorgt werden müssen. Dennoch sind hierzulande die Gasspeicher in den unterirdischen Kavernen ausreichend gefüllt. Laut Bundesnetzagentur lag der Speicherstand am 29. Januar bei 57 Prozent, gut zehn Prozentpunkte über dem Minimum der vergangenen sieben Jahre. Derweil sagt der Deutsche Wetterdienst für den Rest des Winters und für das Frühjahr milde Temperaturen voraus, so dass mit einem vergleichsweise eher niedrigeren Verbrauch zu Heizzwecken zu rechnen ist.

Dementsprechend sind die neuen deutschen LNG-Terminals an Nord- und Ostsee kaum ausgelastet. Insbesondere die Anlagen des Terminalbetreibers Deutsche Regas in Mukran auf der Ostseeinsel Rügen stehen weitgehend still. Seit dem 14. Dezember sei dort kein Flüssigerdgas mehr angelandet worden, berichtet die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Im vergangenen Jahr habe die Auslastung nur acht Prozent betragen. Das Terminal sei, anders als behauptet, nicht für die Versorgungssicherheit notwendig.

Mit dieser Begründung und einem vermeintlichen Energienotstand war seinerzeit der rasche Bau der Anlage begründet worden, der an allen sonst üblichen umweltrechtlichen Auflagen vorbei erfolgte. Der örtlichen Bevölkerung wurden die sonst üblichen Mitspracherechte weitgehend entzogen. Diverse Klagen von Umweltverbänden, dem benachbarten Ostseebad Binz, privaten Anwohnern sowie dem Deutschen Jugendherbergswerk, das in etwas mehr als vier Kilometern Entfernung in Prora eine Herberge betreibt, sind bisher vor dem Bundesverwaltungsgericht gescheitert. Im September 2023 hatte das Gericht damit argumentiert, dass eine Gasversorgungskrise vorliege und der Planfeststellungsbeschluss für Mukran daher rechtens sei.

Davon kann nach Ansicht der Umwelthilfe inzwischen nicht mehr die Rede sein, wobei auch im vorhergehenden Winter schon die Speicher gut gefüllt blieben. Nicht einmal zehn Schiffe hätten 2024 Mukran angelaufen, berichtet die DUH nach Auswertung der Plattform »Gas Infrastructure Europe«, auf der alle LNG-Lieferungen angezeigt werden müssen. Für die Nachbarn des Terminals in Binz und Sassnitz ist die geringe Auslastung sicherlich auch ein Segen, denn sie bedeutet weniger Lärm und Schadstoffemissionen. Das Terminalschiff erzeugt seinen benötigten Strom nämlich nach wie vor mit den Schiffsmotoren, statt über einen Landanschluss, wie es eigentlich in der Betriebsgenehmigung vorgesehen ist.

Das Terminal auf Rügen besteht aus zwei Einheiten, eines zur Speicherung und eines zur Regasifizierung von angelandetem LNG. Die Kapazität beläuft sich auf 13,5 Milliarden Kubikmeter. Eine Pipeline am Boden des Greifswalder Boddens bringt das Gas nach Lubmin ans Festland, wo auch die inzwischen weitgehend zerstörten Nord-Stream-Pipelines enden. Die von der Insel nach Lubmin führenden Röhren waren, wie seinerzeit berichtet, erst Anfang 2024 durch ein wichtiges Laichgebiet des bedrohten Ostseeherings verlegt worden, genehmigt vom fachfremden Bergamt in Stralsund, ebenfalls ohne Umweltverträglichkeitsprüfung.

Die Deutsche Regas war erst 2022 von Branchenneulingen gegründet worden. Geschäftsführer Ingo Wagner hat nach Recherchen des Rechtsanwalts Reiner Geulen, der die Gemeinde Binz vertritt, früher eine Firma auf den Caymaninseln geführt, die als sogenanntes Steuerparadies gelten. Das Landgericht München hatte 2023 die Behauptung verboten, mit dem Unternehmen werde Geldwäsche betrieben. Zugelassen wurde allerdings die Feststellung der Gemeinde, dass der Hintergrund der Finanzierung intransparent sei. Geulen hält daher das Unternehmen nicht für vertrauenswürdig genug, um eine störfallgefährdete Anlage zu betreiben.

Die DUH wirft derweil die Frage auf, wie mit der fehlenden Landstromversorgung der Anlagen in Mukran umgegangen werden soll. Nach ihrer Ansicht liegt eine wesentliche Änderung der Genehmigung vor, die eine Öffentlichkeitsbeteiligung voraussetze. Dazu Constantin Zerger, Leiter der Abteilung Energie und Klimaschutz bei der DUH: »Statt ihre Versprechen zur Einrichtung einer Landstromversorgung zu erfüllen, möchte die Deutsche Regas die Genehmigung ändern lassen. Nachträglich die Spielregeln zu ändern, ist nicht gerade Fair play gegenüber den Anwohnerinnen und Anwohnern, die unter höheren Schadstoffemissionen leiden müssen. Bei dem Projekt ging es der Betreiberfirma ganz offensichtlich nie um die Versorgungssicherheit, sondern allein um ihren maximalen Profit. Die Landesregierung muss jetzt endlich einen Schlussstrich unter dieses Kapitel ziehen. Diese Infrastruktur ist überflüssig und schadet den Menschen und der Umwelt vor Ort.«

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