Mehr als ein Gleiwitz
1939 sagten die deutschen Faschisten offen, worum es bei letzerem ging, so zum Beispiel Hitler am 22. August vor der Wehrmachtsführung: »Die Auslösung des Konfliktes wird durch geeignete Propaganda erfolgen. Die Glaubwürdigkeit ist dabei gleichgültig, im Sieg liegt das Recht.« Presse, Wochenschau und Rundfunk hatten damals mit Hetze gegen Polen Kriegstüchtigkeit hergestellt. Der angebliche polnische Überfall auf den Sender Gleiwitz war von SS-Geheimdienstchef Reinhard Heydrich organisiert.
An der Aussage Hitlers vom 1. September 1939, seit 5.45 Uhr werde »zurückgeschossen«, stimmte nichts. Für die Marschrichtung Osten hatten insbesondere Großbritannien und Frankreich mit dem Münchner Abkommen 1938, mit dem sie die Tschechoslowakei auslieferten, grünes Licht gegeben und zugleich den Bemühungen der Sowjetunion, ein System gegenseitiger Sicherheit zu schaffen, eine Absage erteilt.
Für Deutschland bleibt, wie der SPD-Politiker Klaus von Dohnanyi und General a. d. Erich Vad soeben im gemeinsamen Buch »Krieg oder Frieden – Deutschland vor der Entscheidung« festgehalten haben, jeder europäische Krieg existentiell: Es ist NATO-Drehscheibe und wird Schlachtfeld.
Wer hier neuartige US-Raketen gegen Russland stationieren will, ist ein verantwortungsloser Abenteurer. Eskalation ist programmiert: Bis Ende des Jahres sollen in Belarus russische »Oreschnik«-Raketen stationiert werden, die von dort in wenigen Minuten Ziele in Deutschland erreichen. Die Behauptung von Friedrich Merz im ZDF am Sonntag, wenn die Ukraine kapituliere, »dann sind übermorgen wir dran«, nähert sich dem »Zurückschießen« sehr an. Höchste Zeit, dem ein Ende zu setzen.