Treffen in Berlin: Deutschland und vier weitere Länder wollen Nato-Ost-Flanke verstärken
Aufgrund der neuesten Entwicklungen im Ukraine-Krieg wollen Deutschland und vier andere Nato-Staaten die Rüstungsproduktion in der Ukraine stärken. Das werde in einem ersten Schritt mit den Zinseinkünften aus eingefrorenem russischen Vermögen finanziert, sagte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius beim Treffen mit seinen Amtskollegen aus Frankreich, Großbritannien, Polen und Italien.
Die fünf Länder wollen gemeinsam die Produktion von Munition und KI-Drohnen in der Ukraine ankurbeln - bestenfalls in Frontnähe, hieß es. Außerdem sollen mehr luft- und landgestützte Waffensysteme für die Ukraine beschafft werden, so Pistorius bei der gemeinsamen Pressekonferenz.
Pistorius sagte, nachdem der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umerow zugeschaltet war: „Unser Ziel: Die Ukraine muss aus einer Position der Stärke agieren können“. Er betonte, dass der russische Angriffskrieg kein regionaler Konflikt mehr sei: „Er hat eine internationale Dimension bekommen.“ Der Minister verwies auf die 10.000 Soldaten aus Nordkorea, die der russische Präsident Wladimir Putin ins Land geholt habe und denen er einmalig pro Kopf 2000 Euro zahle. „Das ist an Zynismus kaum noch zu überbieten.“
Pistorius traf sich am Montag in Berlin mit dem französischen Verteidigungsminister Sébastien Lecornu, dem britischen Verteidigungsminister John Healey, dem polnischen Verteidigungsminister Władysław Kosiniak-Kamysz und der italienischen Verteidigungsunterstaatssekretärin Isabella Rauti für Beratungen zu Europas Sicherheit.
Pistorius: Akzeptanz für Rüstung hat in Deutschland zugenommen
Bei dem Treffen ging es um Maßnahmen zur Stärkung der europäischen Sicherheit. Im Mittelpunkt standen demnach die Entwicklungen im Ukraine-Krieg sowie die Bedrohung durch die neue russische Mittelstreckenrakete Oreschnik. Der Grundtenor nach den Gesprächen: Die Verteidigungsausgaben müssen steigen, um die Nato-Ost-Flanke zu verstärken.
Pistorius bekräftigte, dass das russische Agieren auch die Menschen in Deutschland und anderen Nato-Ländern betreffe. „Die russischen Drohgebärden sind eben immer auch gleichzeitig an uns gerichtet.“ Laut dem Bundesverteidigungsminister habe die Akzeptanz für die Investitionen in Rüstung und Verteidigung in Deutschland zuletzt zugenommen. Eine Quelle dafür oder eine bestimmte Umfrage, die das stützt, nannte er nicht.
Pistorius sagte, unabhängig davon, ob künftig zwei, zweieinhalb oder drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgegeben würden, gelte: „Wir müssen die Fähigkeitslücken schließen“, um eine effektive Abschreckung zu gewährleisten. Der Zugang der Rüstungsindustrie zum Finanzmarkt müsse dafür erleichtert werden. Dabei müsse die Europäische Investitionsbank eine zentrale Rolle spielen.
Kein Plan B zur Stationierung weitreichender US-Waffen
Besondere Bedeutung hatte das Treffen der Verteidigungsminister auch vor dem Hintergrund des bevorstehenden Amtsantritts des wiedergewählten US-Präsidenten Donald Trump. Man wolle sich rechtzeitig auf Machtübernahme im Weißen Haus vorbereiten. Denn nach Trumps Amtsantritt im Januar wird davon ausgegangen, dass die USA keine weiteren Ukraine-Hilfen mehr zur Verfügung stellen werden.
Die Frage, ob es einen Plan B für den Fall gebe, dass der neue US-Präsident Donald Trump die geplante Verlegung weitreichender US-Waffen nach Deutschland rückgängig mache, verneinte Pistorius. „Es gibt übrigens auch keine Anzeichen bislang dafür, dass an der Entscheidung etwas geändert werden würde“, sagte er. Wenn dies aber „einträte, müsste man neu nachdenken und über andere Interimslösungen nachdenken“.
Der britische Verteidigungsminister John Healey sagte, die führenden europäischen Länder würden alles Notwendige dafür tun, dass die Sicherheits- und Verteidigungsanstrengungen verstärkt würden. „Wir erkennen an, dass wir mehr machen, mehr ausgeben müssen.“ Großbritannien habe sich verpflichtet, seine Rüstungsausgaben auf 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen und werde im Haushalt nächstes Jahr 3 Milliarden Pfund dafür ausgeben.
Frankreich will Ukraine Mistral-Luftabwehrsystem liefern
Der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu kündigte an, Frankreich werde in den nächsten Wochen das Kurzstrecken-Luftabwehrsystem Mistral an die Ukraine liefern. Er betonte: „Wir müssen über unseren Ansatz für Sicherheit und Verteidigung in den nächsten 10 bis 15 Jahren nachdenken.“ Man brauche das Zwei-Prozent-Ziel, aber wichtig sei auch, das Geld richtig zu nutzen.
Der polnische Verteidigungsminister Wladyslaw Kosiniak-Kamysz sagte, sein Land werde im laufenden Jahr 4,2 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben, im kommenden Jahr solle dieser Anteil auf 4,7 Prozent gesteigert werden. „Wir sind heute mit der größten Bedrohung seit dem Zweiten Weltkrieg konfrontiert. Heute haben wir noch Zeit. Bald wird die Zeit wirklich knapp.“ (mit dpa)