… zieht mehr als 10 Pferde
1973, ich war noch stellvertretender Zugführer in der 2. FjK/3. Dienstjahr. und hatte im Jahresurlaub gerade meine Frau kennen gelernt. Damit kam Unruhe in mein Soldatenleben.
Plötzlich wollte man am Wochenende keine Wache mehr schieben oder stellvertretend für den Hauptfeldwebel, Waffen für die Wache oder andere 24-Stundendienste ausgeben. Jetzt waren andere Sachen wichtiger … ich wollte nach Stralsund. Und das in jeder freien Minute!
Jeder, der in Prora gedient hat, kann sich sicher an das Dilemma mit der Deutschen Reichseisenbahn erinnern. Prora ab: 17.39 Uhr, Lietzow umsteigen, 19.02 Uhr oder noch später in Stralsund. Zurück 00.10 Uhr, das gleiche Chaos, in Lietzow verpennt und dann von Saßnitz oder Sagard zu Fuß nach Prora.
Aber da gab es ja Kameraden wie z.B. den Stgfr. Riedel. Er hatte eine 250er ES im Motorradschuppen stehen (, später war das verboten!), und die stellte er mir gelegentlich zur Verfügung. Selbstverständlich musste ich ihn immer fragen und deshalb gab es auf die Dauer nur eine Lösung – ich musste mir selbst ein Motorrad zulegen.
Ein Zufall kam mir zu Hilfe. Ich las eine Annonce im Rügener Skandalanzeiger, so nannten wir damals die Ostsee-Zeitung: „Verkaufe 300er MZ!“ Das war´s! Also ab nach Stralsund und Probe fahren. Ich kann Euch sagen, ein Ofen. Großer tschechischer Cross-Lenker und noch ein paar andere Dinge, die wir damals als Extras bezeichneten. Ich weiß nicht mehr ob die Karre 130 km/h gemacht hat, aber im ersten Gang konnte man mit ihr, und das mit Sicherheit, pflügen. Die hatte einen sagenhaften Anzug. Ich habe das Ding gekauft und war somit von allem unabhängig.
Endlich niemanden mehr fragen und so konnte ich den Dienstschluss kaum erwarten. Nach der Dienstausgabe ging es im Laufschritt in den 5. Stock, umziehen, Sprunghelm schnappen und 15 Minuten später war ich auf dem Weg zum Motorradschuppen. Dieser befand sich am KDL/Wachlokal.
Die Wache, gestellt durch meine eigene Kompanie, bereitete sich gerade auf die Wachablösung vor und empfing mich natürlich neugierig. Ich hatte ihnen ja von meiner Anschaffung erzählt, und die wollten sie nun mal in voller Action erleben.
Ich schob den „Hobel“ aus dem Schuppen. Jede Menge lobender Worte und fachmännische Äußerungen ließen mich mit vor Stolz geschwellter Brust den Zündschlüssel in die dafür vorgesehene Öffnung stecken. Benzinhahn öffnen – „tippen“ – zweimal durchtreten – Zündung an und … Scheiße war´s.
Ich hab mich fünf Minuten an dem Bock fertig gemacht, aber er sprang nicht an. Nun versuchten mir meine Genossen Mut zu machen. „Manne, auch ein gutes Motorrad wird mal angeschoben!“ Na Jungs, dann macht mal das Tor auf. Ich in Startposition … der olle Lenker war so breit, dass ich nur mit ausgestrecktem Arm und gerade so den Gasdrehgriff erreichen konnte.
So … den zweiten Gang rein und Start. Nach ca. 50 Meter … die Karre lief noch nicht … haue ich den ersten Gang rein. Ihr wisst, Stoppschild, dann links abbiegen, Richtung Binz oder Bergen! Plötzlich gibt das einen Knall, der Ofen springt schlagartig an, reißt mich nach vorn … ich den Gasdrehgriff bis zum Anschlag nach hinten. Ich kam einfach nicht auf den Hobel. Mit riesigen Panthersprüngen lief ich neben dem Bock her. Am Stoppschild vorbei, über die Straße und auf der anderen Seite in den Wald …
Als ich die Augen geöffnet habe – Birkenblätter und Tannengrün über mir. Wie aus weiter Ferne höre ich das Johlen der Wache. Als ich nach rechts schaue, dreht sich genau vor meiner Nase das olle fette Hinterrad. Und der Bock … läuft. Noch halb im Liegen zerre ich am Ganghebel und versuche mit der Hand den Gang heraus zu bekommen … Mir ist nichts passiert.
Mein Motorrad hat keine größeren Schäden davon getragen, nur die Blinkleuchten sind beide abgebrochen. Das nächste was ich abbreche, ist mein Ausgang. Unter dem lauten Gejohle und Gelächter der Wache, schiebe ich die „Scheißkarre“ in den Motorradschuppen zurück. So kameradschaftlich Fallschirmjäger sein können, genauso schadenfroh können sie auch sein. Der Wachhabende, Unterfeldwebel Seehawer meinte noch zu mir: „Guter Sprint, Manne!“ Am darauf folgenden Wochenende bin ich dann wieder mit dem Motorrad vom Stabsgefreiten Riedel nach Stralsund gefahren.
Stabsfeldwebel Erich Walkowski nahm sich meiner Karre an und stellte die Zündung ein. Blinkleuchten waren leider in den Kfz-Läden in Bergen und Sassnitz nicht vorrätig. Irgendwann habe ich den Bock an einen Ufw. vom Chemischen Dienst verkauft. Der ist dann mit dem Geschoss in Karow, kurz vor Bergen, zusammengebrochen.
Euer „Waldarbeiter“ Manne